Vielflieger oder erfahrende Flugreisende kennen Sie – die Fluggastrechteverordnung VO (EG) Nr. 261/2004. Sie soll ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherstellen und diesen im Falle einer Nichtbeförderung, Annullierung oder einer großen Verspätung von Flügen Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche gegen die ausführenden Luftfahrtunternehmen (Airlines) ermöglichen. Trotz ihres Alters von über 20 Jahren kommt es immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Flugreisenden und den Airlines.
Für über 20 Mandanten gelang es den Rechtsanwälten Rechtsanwälte Schlegel, Fischer & Partner nunmehr eine solche Grundsatzentscheidung vor dem Bundesgerichtshof in letzter Instanz (Urteil vom 04.06.2024, Az.: X ZR 162/23) zu erreichen. Durch den BGH zu entscheiden war dabei wesentlich die Frage, ob den von einer großen Verspätung betroffenen Flugreisenden ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 400,00 EUR pro Person auch dann zusteht, wenn es sich um einen Charterflug des Pauschalreiseanbieters nach vorzeitigem Reiseabbruch durch diesen selbst handelte und die Flugreisenden diesen konkreten verspäteten Flug nicht bezahlen mussten, aber ein anderen von der Pauschalreise umfasster Flug zum ursprünglichen Reiseende pünktlich erbracht werden konnte.
Hintergrund der Entscheidung war der Abbruch einer Kreuzfahrtreis für mehrere tausende Passagiere in Lissabon Anfang 2022. Die Kreuzfahrtreise beinhaltete für alle Passagiere neben der eigentlichen Kreuzfahrtreise auch An- und Abreisepakete mit Hin- oder Rückflügen. Die Reise sollte auf den kanarischen Inseln enden und von dort die in der Pauschalreise enthaltenen Flüge nach Deutschland stattfinden. Aufgrund eines sich schnell ausbreitenden Infektionsgeschehens von COVID-19 an Bord des Kreuzfahrtschiffes wurde die Pauschalreise vor Erreichen des eigentlichen Endes der Pauschalreise durch die Reederei mittels Borddurchsage für beendet erklärt und für die Passagiere Charter-Flüge ab Lissabon für den 03. Januar 2022 organisiert. Bei den durch die Reederei organisierten Rückflügen kam es für mehrere Flüge zu erheblichen Verspätungen von über 26 Stunden.
Unser Kollege Rechtsanwalt Lucas Prandi machte für über 20 Mandanten Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung, insbesondere die Ausgleichszahlung, geltend, die durch die Airline in den gerichtlichen Verfahren zurückgewiesen wurden. Die Airline trug unter anderem vor, dass die Fluggastrechteverordnung bereits nicht anwendbar sei, weil der konkrete Charter-Flug für die Mandanten kostenlos gewesen sei, und es sich um einen reduzierten Tarif gehandelt habe, der für die Öffentlichkeit nicht verfügbar gewesen sei. Darüber hinaus sei die Verordnung nicht anwendbar, weil die Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Fluges annulliert wurde (Art. 3 Abs. 6 VO (EG) Nr. 261/2004).
Die Klage hatte in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Hannover keinen Erfolg. Im Zuge des Berufungsverfahren vor dem Landgericht Hannover wurde das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Airline antragsgemäß verurteilt. Das Landgericht stellte dabei insbesondere fest, dass die Fluggastrechteverordnung anwendbar ist. Der Flug war entgegen der Ansicht der Airline unter anderem nicht kostenlos, weil ein Entgelt durch die Reederei unstreitig gezahlt wurde. Zudem greift der Ausschlussgrund nach Art. 3 Abs 6 VO (EG) 261/2004 nicht, weil die Ausnahme nur gelte, wenn die Pauschalreise vor Beginn der Pauschalreise beendet wird und die Verspätung oder Annullierung des Fluges auf dem den Flug erforderlich machenden Reiseabbruch beruht. Das war vorliegend jedoch nicht der Fall.
Die dagegen gerichtete Revision der Airline wurde mit Urteil des Bundesgerichtshofes vom 04.06.2024 zurückgewiesen. In seiner zu diesem Zeitpunkt erst zweieinhalb Jahre andauernde Tätigkeit als Rechtsanwalt gelang unserem Kollegen Lucas Prandi damit ein beachtlicher Erfolg: eine erste Revision zum Bundesgerichtshof zu noch nicht entschiedenen rechtlichen Fragestellungen und dann gleich ein vollumfänglicher Erfolg. Wir gratulieren recht herzlich!
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